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Veringenstadt, 16.8.2004

Letzte Woche konnten wir einen Artikel in der Schwäbischen Zeitung lesen, der wie folgt betitelt war: Hermann der Lahme: der Weltchronist war ein Veringer.

Ich nehme diesen Punkt zum Anlaß, um eine hoffentlich für Veringenstadt fruchtbare Diskussion herbeizuführen. Nachfolgend  mein an die Schwäbische Zeitung gerichtetes Schreiben:

"Hermann der Lahme: der Weltchronist war kein Veringer 

   Der am 11. August 2004 in der SZ veröffentlichte Artikel über den Klostermönch Hermann der Lahme identifiziert die biographische Zuordnung dieser Figur eindeutig nach einer Veringer Adelslinie. Dabei wird der Reichenauer Gelehrte als Sohn des Grafen Konrad Wolfenrad II. von Veringen genannt. Sein Geburtsdatum wird mit dem 18. Juli 1013 angegeben. Verfolgt man jedoch die Stammtafel der Grafen von Veringen, welche Rolf Götz in seiner Forschung zur Geschichte der Burg Veringen und den ersten Grafen von Veringen veröffentlichte, so reicht diese nur bis zum Jahre 1123 zurück, genauer, bis zum Grafen Marquard von Veringen (1123/1157 oder 1158). Vor diesem Datum gibt es keine urkundliche Erwähnung weiterer Grafen von Veringen . Ein Wolfrad II. von Veringen taucht erst in der dritten Generation danach auf (1216/67).

   Hermann der Lahme starb 1054. In einem Nekrolog von Chur aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist zu lesen: „Hermannus contractus, prebyter, filius Wolfradi comitis de Veringen, obiit, qui in monasterio Alshusen requiescit, cuius proprietas ad ipsum pertinebat. Et obiit sub anno MLIV“ (= Hermann der Lahme, Priester, Sohn des Grafen Wolfrad von Veringen, starb … im Jahre 1054). Götz klärt in seiner Studie den Sachverhalt: „Dieser große Reichenauer Künstler und Gelehrte, Sohn des Grafen Wolfrad von Altshausen, wurde später von den Grafen von Veringen zu den Vorfahren gezählt und im 14. Jahrhundert – wie in ähnlichen Fällen ebenfalls zu belegen – einfach als Graf von Veringen bezeichnet, obwohl es solche Grafen im 11. Jahrhundert noch gar nicht gab. Daß gerade in Chur Hermann der Lahme als Sohn eines Grafen von Veringen bezeichnet wurde, ist auf die Grafen Mangold und Wolfrad von Veringen zurückzuführen, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Chur Kanoniker waren.“

   Allein diese Feststellung könnte genügen, um aus der Sicht der heimatlichen Geschichtsforschung die Zugehörigkeit Hermanns zum Veringer Adelsgeschlecht zu widerlegen. Mindestens zwei zusätzliche Argumente stützen außerdem die Unzulänglichkeit der Behauptung, daß Letzterer ein Veringer war. Zum einen bringt keine der Studien um die - wohlgemerkt später – angenommene Ableitung des Veringer Adels vom Stammbaum der Altshausener eindeutige Ergebnisse. Merkwürdigerweise stellt auch der Verfasser des Artikels in der SZ außer der unumstößlichen Tatsache, daß Hermann der Lahme in Altshausen zur Welt kam, fest: „Ob die Grafen von Veringen von Isny-Altshausen, Bregenz-Buchhorn oder Kärnten her stammen, ist nicht endgültig geklärt.“ In jedem Fall muß eine retrodatierte Chronologie der Zuordnung, verbunden mit einer unbewiesenen Herkunft der Veringer Grafen, in doppeltem Sinne als unwissenschaftlich gewertet werden.

Weiterhin ist dieses Ahnenproblem eng mit dem Problem der Veringer Stadtwerdung verbunden. Die angeblich erste Erwähnung des Ortsnamens Veringen im Jahre 786, wie  E. Zillenbiller 1963 und H. Burkharth 1983 fälschlicherweise annehmen – ein Irrtum der   letztendlich auf Sebastian Lochers handschriftlichen“Materialien zur Geschichte der Stadt Veringen“ (ca.1860/1870) basiert – kann verworfen werden, wie Götz in seinem (ironischerweise von Zillenbiller herausgegebenen) Artikel, beweist.

 Bezüglich der Nennung Veringens haben sich Verwechslungen in heutiger Zeit selbst in Werken, wie das „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands“ und „Das Land Baden-Württemberg“ mit Vöhringen bei Sulz, Vöhringen an der Iller, oder etwa  „Vrindorff“ (= Urindorf, dann Irrendorf) bei Tuttlingen, eingeschlichen. Götz hebt hervor, daß die älteste Nennung des Ortsnamens Veringen in der 1135 niedergeschriebenen Zwiefalter Chronik des  Mönchs Berthold auftaucht. Desweiteren, daß Veringendorf erstmals 1262 (als „villa veringen“) und Veringenstadt als „oppidum“ (Stadt) 1272 zweifelsfrei erwähnt werden, wobei die Nennungen des Grafen Marquard nach seiner Höhenburg Veringen in zeitgenössischen Urkunden schon um das Jahr 1140 erfolgten.

   Keine dieser Jahreszahlen führt uns in die Zeit des Reichenauer Chronisten zurück. Es darf festgestellt werden, daß die Behauptung Hermann der Lahme sei ein Veringer einer kritischen Reflexion der von der heimatgeschichtlichen Forschung erarbeiteten Ergebnisse nicht standhalten kann. Eine derartige Behauptung darf als unbegründet und falsch betrachtet werden.

 Zusammengefaßt:

1)      Hermann der Lahme ist in Altshausen geboren, zu einer Zeit als es noch kein Nennung des Namens Veringen gab; fast überflüssig zu erwähnen, daß er somit weder in Veringen lebte, noch wirkte.

2)      Das Adelsgeschlecht der Veringer kann erst ab dem 12. Jhdt. nachgewiesen werden, über ein Jahrhundert nach der Geburt Hermanns; dieser kann also nicht als Sohn eines Grafen Konrad Wolfenrad II. von Veringen zur Welt gekommen sein.

3)      Die Zuordnung des Adelsgeschlechts der Veringer zur Altshausener Linie ist nicht eindeutig nachgewiesen.

    

   Inwiefern die überlebensgroße, an der Fassade der Grundschule in Veringenstadt angebrachte Darstellung des Gelehrten aus dem Mittelalter ihre dortige Daseinsberechtigung hat, ist unter diesem Aspekt gleichermaßen Ansichtssache und Fragezeichen. Die Veröffentlichung ungenügend, oder falsch recherchierter Aussagen, oftmals spekulativer Natur, führt zur Infragestellung weiterer durch die verantwortlichen Autoren gezeichneten Ergebnisse: das Bestreben zur Einverleibung des Ruhmes Dritter birgt die Gefahr der korrigierenden Unterschlagung sachlicher Studien in sich und kann auf diese Art in keiner Weise der wissenschaftlichen Orientierung auf dem Gebiet der Heimatkunde dienlich sein.

Die einzig richtige Feststellung kann nur lauten: Hermann der Lahme war ein Altshausener."

(Marco Ferroni)

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